Turmbau im Sturm: Tempera und Ölfarbe in Schichten, reduzierte Farbpalette

Turmbau zu Babel mit unheimlich grün leuchtenden Fenstern versinkt in stürmischen Fluten des Klimawandels. Selbstüberschätzung und Technikgläubigkeit der Menschheit rächt sich im drohenden Untergang

Rund um den Jahreswechsel hatte ich die Zeit und Muße, dieses Bild, das mich im Kopf schon sehr lang beschäftigt hat, fertigzumalen. Einen kleinen Vorteil hatte es also wenigstens, dass Weihnachten 2020 abgesagt war…

Turmbau zu Babel mit unheimlich grün leuchtenden Fenstern versinkt in stürmischen Fluten des Klimawandels. Selbstüberschätzung und Technikgläubigkeit der Menschheit rächt sich im drohenden Untergang
Tempera und Öl auf HF-Platte, 38×95,5cm (2021)

Mit dem Turmbau zu Babel, dem Symbol einer Bibelgeschichte die die meisten von uns kennen, habe ich gleichzeitig das damit verbundene Symbol der menschlichen Selbstüberschätzung in den Fluten der Natur bzw. auch in den Fluten des menschengemachten Klimawandels untergehen lassen.

Bruegels Turmbau zu Babel als Symbol für die menschliche Überheblichkeit

Natürlich gibt es interessantere Türme, dieses Bild von Pieter Bruegel, das ich hier adaptiert und auch ein bißchen karikiert habe, kennen halt auch sehr viele kunstinteressierte Menschen – auch wenn ich den Hype um Pieter Bruegel nicht vollständig nachvollziehen kann, habe ich mir seine Popularität hier zunutze gemacht, um mein inhaltliches Anliegen damit für möglichst viele Menschen verständlich zu transportieren.

Der Umweltschutz kommt in unserer heutigen extremen Technik- und Fortschrittsgläubigkeit viel zu kurz, die eigene Bequemlichkeit und die eigenen Bedürfnisse werden von den meisten Leuten über alles andere gestellt. Da reden auch alle davon, die Dinge des täglichen Bedarfs vor Ort im Einzelhandel zu kaufen, am Ende wird aber im Geschäft die Beratung geholt und dann beim großen globalen liefert-alles-Händler schnell und um ein paar wenige Euro billiger bestellt. Der Gedanke, damit schlussendlich den eigenen Arbeitsplatz wegzurationalisieren oder auszulagern, kommt einem dabei leider meistens nicht in den Sinn.

Herstellung und verwendete Materialien: Gesso + Acryl, Kohle, Tusche, Eitempera und Lasur-Ölfarbe

Das Bild ist ca. 40x100cm groß und wie meistens auf selbst grundierter Hartfaserplatte im eigens zugeschnittenen Sonderformat gemalt. Das extreme Querformat hat sich hier angeboten, um die aufgewühlten Meereswogen, den auf verlorenem Posten untergehenden Turm und damit mein Thema möglichst gut zur Geltung zu bringen.

Die Hartfaserplatte habe ich mir einseitig in 3 Schichten grundiert, mit weißem Gesso, das ich vorher mit brauner Acrylfarbe abgetönt habe, um einen gleichmäßigen, düsteren Hintergrundton zu erzielen.

Diese Grundierung hat durch das Gesso kleine Körner an der Oberfläche, die man abschleifen oder auch als Struktur in die Bildwirkung miteinbeziehen kann, ganz nach den eigenen Vorlieben. Meistens lasse ich die Körnung bestehen, nur bei sehr kleinen Formaten oder feiner Malweise schleife ich sie vorsichtig mit einem Schleifpad weg. Hier wäre es fast angenehmer gewesen, wenn ich sie abgeschliffen hätte – bei den feinen Details des Turms hat mich das körnige ein bißchen gestört.

Den Turm habe ich nach dem Originalbild gezeichnet, verfremdet, auf den Malgrund gepaust (mit Kohle) und danach mit Tusche nachgezogen und fixiert, um die Zeichnung wisch-, wasser- und lösemittel- bzw. Ölfarben-fest zu machen.

Referenzfotos zu verwenden ist sehr wichtig, reines Abmalen kann böse ausgehen mit einer Copyright-Verletzung

Danach habe ich die Wellen nach einigen wenigen Referenzfotos direkt auf die Platte gezeichnet; erstens habe ich kein gesamthaft geeignetes Vorlagenbild gefunden und zweitens gibt es mit dieser Vorgehensweise auch keine Copyright-Probleme, weil es sich um eine Eigenkreation handelt.

Ich finde, daß es sehr wichtig ist, gute Referenzfotos zu verwenden, weil man eigentlich nur so eine realistische Lösung findet: wer von uns weiß schon ganz genau aus dem Gedächtnis, wie sich Gischt auf Wellenkämmen genau entwickelt und wie viele Abwandlungen es davon gibt? Wohl kaum jemand, der nicht täglich auf weiße Wellen schauen kann!

Der nächste Schritt war, mit selbst gemischter weißer Eitempera die Lichter bzw. Höhen aufzutragen – teilweise in einer Schicht, teilweise in mehreren, um die gewünschte Helligkeit zu erreichen. Dieses Negativ-Malen ist anfangs ungewohnt (wir malen ja normalerweise eher Schatten) aber man gewöhnt sich ganz gut dran. Die Eitempera hat die Eigenschaft, einen wässrigen und einen öligen Anteil zu haben: das heißt, man kann sie beim Vermalen einfach mit Wasser verdünnen, sie trocknet aber sehr schnell wasserfest auf.
Damit kann man relativ schnell vorgehen und sich sehr viel an Arbeit mit der Ölfarbe ersparen, da man damit die Grundstruktur und Dreidimensionalität gut herausarbeiten kann. Nachteil ist, daß sich die Farbe nicht einfach verarbeiten läßt – sie ist rauh und bockig, man kann gut harte Kanten, aber nur schwer weiche Übergänge erreichen. Mit entsprechender Übung und Materialkenntnis ist es dann möglich, sich die Eigenheiten zunutze zu machen.

Vorsicht bei der Farbwahl – Preussischblau ist schön, aber heikel in der Mischung mit Weiss; kann ausbleichen

Für die Ölschichten habe ich ausschließlich Lasurpigmente verwendet – Preussischblau, Krapplack, Zitronengelb (naja, halbtransparent) und Lasurweiß, wobei ich hier mein blaues Wunder erlebt habe auf der Suche nach einem mit Preussischblau kompatiblen Weisspigment. Preussischblau hat nämlich eine unangenehme Eigenschaft, mit Zinkweiss (Pigment PW4) gemischt bleicht es nach einigen Jahren aus, weil es seine Lichtechtheit verliert. Mit Titanweiss (PW6) gemischt weniger stark, aber genauso.
Schlussendlich bin ich bei einem Lasurweiß aus Titanweiss gelandet, das ich einfach nicht mit dem Blau vermischt, sondern das ganze in getrennten Schichten aufgetragen habe. In der Zwischenzeit habe ich von einem Malerkollegen einen anderen Weisston empfohlen bekommen, nämlich mit Lithopone (PW5) oder Zinksulfid (PW7) hergestelltes Deckweiss. Dieses wird auch in der Literatur empfohlen, ich hatte nur bis dato keine Ölfarbe mit diesen Pigmenten gesehen gehabt.

In der ersten Ölschicht habe ich einmal die Fläche und die ganze Eitempera vollflächig überzogen, gleichzeitig mit moduliertem Farbauftrag Helligkeiten und Dunkelheiten in Wolken und Wellen strukturiert.

Ursprungsplan Mischtechnik nach Doerner im Laufe des Bildes doch fallengelassen

Mit der Tempera, in spätere, noch nasse Ölschichten hineingemalt, ist es möglich schöne Effekte wie harte Kanten, Lichter, scharfe Kontraste oder schöne Schaumkronen hinzubekommen, daher wollte ich die Wellen damit fertigstellen. Das Ergebnis der ersten beiden Wellenkämme hat mich allerdings nicht überzeugt, und daher habe ich es bleibengelassen und die höheren Schichten ausschließlich mit der Ölfarbe fertiggestellt. Bei anderen Bildern habe ich das durchaus verwendet, aber hier war es einfach nicht passend bzw. hat mir das Ergebnis nicht gefallen.

Schichtentrennung und Schichtenverbindung – mit einer Schicht Malmittel als Zwischenfirnis

Als nach ein paar Tagen die erste Ölschicht soweit trocken war, dass ich weitermalen konnte, habe ich das Bild mit einer hauchdünnen Schicht Malmittel überzogen. Das hat mehrere Gründe: dunkle Ölfarben trocknen im Verhältnis etwas heller auf als helle, durch diese Malmittelschicht werden die vor dem Trocknen erzielten Kontraste wieder hergestellt. Außerdem verbinden sich die beiden Farbschichten durch diese Art Zwischenfirnis besser, der Glanzgrad des Bildes wird vereinheitlicht, sehr matte, „eingeschlagene“ Stellen angeglichen. Und das Risiko für das Verbleichen des Preussischblau-Pigments durch das Titanweiss wird auch so gut wie sicher ausgeschaltet 😉

Diese Schicht bringe ich mit der weichen Seite eines Abwasch-Schwamms auf, das ginge auch mit einem Maltuch o. ä., aber es könnte fusseln oder die Oberfläche beschädigen, also lasse ich es beim Schwamm. Mit einem breiten Pinsel ginge es theoretisch auch, aber da ist die Gefahr recht groß daß man viel zu viel draufbringt und einem dann die nächste Schicht „wegschwimmt“.

Auf diese Art sind es dann vier bis fünf Schichten geworden, auch haben nicht alle Bereiche gleichviele Schichten bekommen (der Turm hat eindeutig die meisten Layer gebraucht) um das Motiv so fertigzustellen, wie ich es haben wollte.

Dazu gibt es auch ein Video auf meinem YouTube-Kanal:

Weiterführende Informationen, Beiträge und Videos:

Einen weiteren Blogbeitrag zum Thema Maltechnik inklusive einem intensiven Buchausgaben-Vergleich findet ihr hier:
Maltechnikbücher-Vergleich: Max Doerner 1985 vs. 2011

Die erwähnten Maltechnikbücher sind: Wehlte, Kurt „Werkstoffe und Techniken der Malerei“ und Doerner, Max „Malmaterial“
Heute nicht erwähnt, aber lesenswert: Hoppe, Thomas „Malkunde“

Weitere Videos von mir zu Maltechnik und Malutensilien:

Papier als Malgrund verwenden und für Ölmalerei richtig vorbereiten:

zum Selbstbau einer Studio-Staffelei:

Malkoffer für draußen:

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Veröffentlicht von karinabunt

in Wien lebende Malerin, Zeichnerin, Illustratorin - mein Lieblingsthema sind Lebensräume, Utopien und in Landschaften ausgedrückte Stimmungen

5 Kommentare zu „Turmbau im Sturm: Tempera und Ölfarbe in Schichten, reduzierte Farbpalette

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